Donnerstag, 19. April 2012

Kap.1_Bohnenschmarren

Letzte Woche, nach vielem Hin und Her, war es beschlossen, dass der Parademan das Abendessen bereiten würde, welches – dies war das Problem – für mich kein Abendessen darstellte, sondern einen abendlichen Imbiss, da es sich auf ein Dessert beschränkte. „Aber Lina, sowas ist manchmal das Dessert und manchmal das Hauptgericht“, erklärte er. „Wie kann eine Sache zu einer anderen werden, ohne dass sich irgendetwas ändert?“ – „Weil es ziemlich groß ist, sehr ausgiebig.“ – „Naja, damit hast du Recht, einem derartigen Teller z.B. nach einem Schweinsbraten ins Auge zu sehen, ist nicht gerade leicht.“ Nun gut, ich ging also zum Zimmer der Küken, und rief mit ausgebreiteten Armen aus: „Kinder, heute gibt es Kaiserschmarrn zur Nachspeise!“ – „Ach ja? Und zum Abendessen gibt es was?“, wollte der Älteste wissen. „Eben dieser Kaiserschmarrn ist das Abendessen!“ – „Und was ist dann die Nachspeise?“ – „Ähm... ja... Spatz, frag den Papa, der erklärt dir das ganz genau, ja?“ Während sie fernsehend darauf warteten, dass das Abendessen – ich meine, der Imbiss – fertig wurde, ging ich in die Küche, um zu lernen, dieses leckere Dessert zuzubereiten, will sagen, das köstliche Gericht. Das Kompott ist kein Geheimnis, die Zwetschken werden in der Mitte geteilt, Zucker dazugeben, kochen lassen, dabei immer rühren, und fertig. Die Palatschinken bedürfen eines gewissen know-how, und der Parademan kann solche Dinge hervorragend machen. Der Teig ist derselbe wie bei gewöhnlichen Palatschinken, nur wird geschlagenes Eiklar untergehoben und Rosinen eingestreut. Und es sollte auch ordentlich etwas bei großer Hitze in die große und tiefe Pfanne gegeben werden; wenn die Unterseite goldgelb gebacken ist, wenden, daraufhin zerreissen und erneut wenden, bis alles mehr oder weniger vermischt ist, aber in großen Stücken. Es wird mit Staubzucker und dem Kompott serviert. So was himmlisches, hervorragend! Beim Auftragen eine weitere Überraschung: Für jeden stellte er ein Glas Milch dazu! Ich sah ihn total verblüfft an: „Aber Liebling, Milch auch für mich und für dich? Wäre nicht ein kleiner Weißwein oder meinetwegen ein Tee besser?“ – „Nein, Schatz, keinesfalls, Kaiserschmarrn, Apfelstrudel und Ähnliches werden zum Abendessen nur zusammen mit Milch serviert!“ Ich spürte, dass es zwecklos war zu argumentieren, der Parademan ist diesbezüglich sehr genau, die Dinge sind dazu da, von bestimmten Sachen umgeben zu sein, nicht von irgendwelchen; wenn du ihm ein Gulasch mit Reis oder Spaghetti vorsetzt, dann ist das ein Unglück, die Welt geht unter, Gulasch ist mit Kartoffeln, Knödel oder Semmel zu servieren oder wie unsereins sagen würde: Jedes Ding an seinem Platz, jeder Affe auf seinem Ast. Bei mir zu Hause gibt es solche Komplikationen nicht, zu geschmortem Huhn gibt es Reis und Bohnen, zu Fisch nach brasilianischer Art gibt es Reis und Bohnen, zu Zwiebelsteak gibt es Reis und Bohnen... Aber wir sind hier zehntausend Kilometer von dieser Wirklichkeit entfernt, na schön, die zerstückelten Palatschinke verzehrt man mit Milch und fertig. Ich lasse mich nicht auf diesen Streit ein, seine Welt ist nun mal diese; ich denke so bei mir während ich die Palatschinke geniesse; meine ist anders und indem einer den anderen respektiert, lieben wir uns und zwar sehr seit über zehn Jahren und die Palatschinke ist eine Wonne, die Milch tut sogar recht gut, schön kühl... am Ende des Abendessens (?) bin ich zufrieden. Dankbar gebe ich ihm einen dicken Kuss. Friedlich haben wir die Mahlzeit genossen, brav habe ich mein Glas Milch getrunken, Liebe ist eben schön.

Tage sind vergangen. Gestern habe ich zur Abwechslung eine Feijoada zubereitet, schwarze Böhnchen, ein paar Mettwürstchen, Reis, Farofa (Maismehlbeilage), und weil ich gut drauf war, habe ich sogar eine Orange geschält und ein paar Bananen in Fett gebacken, den Tisch fein gedeckt, die Getränke in Gläser gefüllt und rufe meine Leute: „Meine Süßen, das Essen steht auf dem Tisch!“ Sie kamen angelaufen, Thadeu vorne, Thulinho, nur ein und ein halbes Jahr alt, hinterdrein stolpernd und die Beine verwechselnd, so süß! Wir setzten uns, ein jeder auf seinen entsprechenden Platz, und der Ahnungslose sagt voller Glück in falschem portugiesisch: „Das riechen aber sehr gut!“ Worauf er sein Glas und einen tiefen Schluck daraus nahm, wie es scheint mit großem Durst. Plötzlich spuckte er aus, verschluckte sich, wurde ganz rot, wischte sich den Mund mit der Serviette ab und zeigte, mich anschauend, völlig erschrocken auf das Glas und immer noch sich verschluckend: „Was war... koff, koff... war das?..koff, koff...“ Ich, die schon auf seiner Reaktion erwartet habe, mit entspannter Stimme und einem leisen Lächeln der Rache auf den Lippen, antwortet: „Cachaça* natürlich! Zu Feijoada trinkt man Cachaça, Schatz!“

* Cachaça: Zuckerrohschnaps
Übersetzung: André Schröder

Sonntag, 29. Juli 2007

Interview für Brazine


Brazine Brasilianische Medien für Deutschland, Österreich und Schweiz, Nr. 23

Von Österreich in die Welt

Blogs und Fotologs gewinnen in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung und sind teilweise auch verantwortlich für die anwachsende Navigationsdauer brasilianischer Internetfreaks. Darunter einige, die sich mehr anhand von Blogs von Journalisten und bekannten Persönlichkeiten informieren, als durch Zeitungen. Dem gemeinen Bürger indessen bieten die Blogs eine Möglichkeit zum Mitteilungs-, Artikel-, Foto- und Videoaustausch und ermöglichen die Interaktion mit dem "Publikum", das zu jeder Einstellung seine Meinung abgeben kann.

Verschiedene Brasilianer benutzen dieses "Utensil" auch, um das Leben auf der anderen Seite des Ozeans zu demonstrieren. Der Wunsch, ihre Erfahrungen auf österreichischem Boden mit anderen zu teilen und die Lust am Schreiben waren die maßgeblichen Motivationen für die Designerin Lívia Mata, die 1989 Niterói mit Wien tauschte. Seit dem vergangenen Jahr "ernährt" sie nun unter dem Pseudonym Lina Mares den "Bananenstrudel". Mit witzigen Texten und einer einfachen und direkten Sprache handelt die Mehrzahl der Chroniken über ihre Routine und zeigt dabei ein "brasilianisches Bild" von Österreich, welches von den inspirierenden Momenten, die sie an der Seite ihrer Kinder, ihres Mannes und von Freunden erlebt, profitiert.

"Ich habe schon immer viel geschrieben. Seitdem ich meine Kinder habe, ist mein soziales Leben sehr eingeschränkt. Der Blog war eine Form, die ich gefunden habe, um die Plauderei unter Freunden, normalerweise begleitet von Bier und Heiterkeit, an der ich nun selten teilhaben kann, fortzusetzen. Auch um Leuten die Österreich nicht oder nur von der touristischen Seite kennen, zu zeigen, wie das Leben in den Alpen wirklich ist".

Wenn auch das Ziel Kommunikation ist, hat man doch manchmal das Gefühl "mit der Wand zu reden". Geraten wird, Werbung zu machen und den Inhalt spannend zu gestalten, sagt die Brasilianerin. Deshalb hat sie keine festen Zeiten für ihre Einstellungen und lässt ihre Kreativität aufblühen, um eine gute Geschichte zu schreiben. "Für mich ist die Qualität wichtig, nicht die Quantität. Manchmal brauche ich 3 Wochen für eine gute Episode. Wenn es soweit ist, schicke ich einen Newsletter an meine Kontakte via E-Mail und Orkut (Internetgemeinde besonders von Brasilianern benutzt)".

Die gestalterische Freiheit und der direkte Austausch mit den Lesern sind auch Motivation für Lívia, etwas einzustellen. "Das Internet ist ein gutes Mittel, sich Informationen und Wissen ohne Zensur anzueignen. Abgesehen davon, dass man von überall auf der Welt Zugang bekommt, ohne sich dem langwierigen und kostspieligen Prozess von Grafik, Druck, Transport und Verteilung auszusetzen".

Sie weiß jedoch, dass die Virtualität (das Netz) sie nicht davor schützt, sich der Kritik zu stellen.

"Ich fühle mich oft ausgeliefert. Ich habe nie Kommentare zensiert und bis jetzt hatte ich erst eine schlechte Kritik. Im Moment ist mein Publikum auf Personen beschränkt, die gut portugiesisch lesen und ich stelle mir den Tag vor, an dem ich die Texte `Bist du schon Österreicher/in?? und `Österreicher oder nicht Österreicher' ins Deutsche übersetze... Was für Kommentare würde ich wohl von den alpinen Kameraden bekommen? Mit Sicherheit nicht nur Blumen".

Ein anderes Problem sind die Unkosten für einen persönlichen Blog, der auch Zeit benötigt. Es ist schwierig, die Marketing zu arbeiten. "Ich kenne keinen Blog, der finanziell erfolgreich ist", bestätigt Lívia, die sich immer noch sehr über das Feedback vieler Leser freut; Lob und Ansporn, ein Buch zu schreiben gibt es viel.

Das ist der Lohn für ihre persönliche Investition und ein Thermometer für den Erfolg in diesem Geschäft. "Ich wollte wirklich gern ein Buch mit Erzählungen schreiben, aber ich wollte ein Projekt machen ohne große Komplikationen und ohne Abhängigkeit von niemandem, nur von meinen Ideen, in Form von Geschichten, vom Computer als Arbeitsinstrument und vom Internet als Verteiler. Da kam mir die Idee mit dem Blog. Er ist gleichzeitig ein Test für die Beurteilung der Qualität meiner Texte; um herauszufinden, ob die anderen sie auch mögen. Das ist klasse im Internet. Einen sofortigen Bescheid, den man mit den Kommentaren bekommt, einen Zugriff, den die ganze Welt auf meine Texte hat. Ich hatte schon Klicks aus Tucson in Arizona bis Melbourne in Australien und Lakonia in Griechenland".

Die virtuelle Erfahrung trug auch Früchte in ihrem Privatleben; im Internet traf Lívia eine Landsmännin, die nun in Wien lebt. Auch entdeckte sie durch Orkut, beim Checken der "Brasilianer in Wien", das Wachstum der lokalen "Kolonie". "Als ich hier ankam, gab es weniger als 10 Brasilianer und alle kannten sich. Die Mehrzahl wohnte in derselben Straße. Als ich vor wenigen Monaten mich wieder in dieser Gemeinschaft befand, stellte ich fest, dass ich nicht mal mehr ein Drittel der Brasilianer, die hier wohnen, kenne!"

Wer es ausprobieren und seinen eigenen Blog einrichten möchte, dem möchte Lívia noch sagen, dass es verschiedene Server gibt, die alle notwendigen Arbeitsmittel und Layouts, wie Blogspot oder Multiply anbieten. "Die Programme zeigen Schritt für Schritt, wie man eine Seite baut. Man braucht nur ein wenig Zeit und Geduld".

Wer lieber Geschichten verfolgen möchte, als sie selbst aufzuschreiben, Lívia’s findet man unter:
www.strudeldebanana.blogspot.com.

Fotos Marcelo Perocco
Deutsch von Ulrike Göldner